Anonym?

Mit Augenmaß, big Neighbour!

Danke für die gestrige Ausgabe liebe Schülerschaft, heute sind also Ferien, aber grundsätzlich macht das ja, wie schon oft erwähnt, keinen merklichen Unterschied. Außer: Dass ihr, liebe Schüler*innen natürlich nicht mehr zur Aufzeichnung gezwungen werdet :-). Ich habe etliche Aufsätze zur Korrektur bekommen, mir wird also auch in  den Ferien nicht fad werden. 

 

Heute musste ich schmunzeln, in der Zeitung stand, dass drei Personen im Garten sitzend und alkoholische Getränke konsumierend polizeilich bestraft wurden wegen Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkung. Die Frage, die sich mir stellte und die mich erheiterte: In wessen Garten sind die denn in Gottes Namen gesessen? In einem wildfremden? Denn sonst wären es ja nicht drei Verstöße, einer wäre ja sehr wohl zu Hause gewesen, wäre es sein eigener Garten. Doch im nächsten Moment stieß mir etwas säuerlich auf. Natürlich bin ich gegen Corona-Partys, finde ich total dämlich. Aber wenn ein Kumpel vorbeikommt, weil er sowieso etwas abliefern muss, er kommt in den Garten - drei Meter Abstand einhaltend, er bekommt mit Gummihandschuhen ein Bier über den Tisch geschoben, kein Kontakt! Und Zack! Ein Nachbar beobachtet dieses unerhörte Szenario und benachrichtigt die Polizei (natürlich anonym) - was folgt: Anzeige und Strafe!

 

Hmm - Ich tu mir damit etwas schwer, habe ich selber gemerkt. Gestern war ein Mensch kurz bei mir, weil er etwas holen musste, die Szenerie glich in etwa der geschilderten. Trotzdem saß ich wie auf Nadeln und überlegte zwanghaft, welcher meiner Nachbarn, die ich nicht so gut kenne (die gut bekannten möchte ich ausschließen) und die in meinen Garten sehen können, in der Lage wäre, diesen Verstoß zu denunzieren.

 

Einer Bekannten ist dies schon passiert, als sie - ebenfalls den nötigen Sicherheitsabstand wahrend - ihrem Gotakind das Geschenk zum Geburtstag vorbei gebracht hat. Im Innenhof stehend ein kurzes Gespräch, ständig in Aufbruchstimmung - wieder: Zack! Polizeieinsatz. Wieder ein wohlmeinender Nachbar. Wegen angeblichem Kinderfest! Offensichtlich ältere Denunzianten, denen heutige Kinderfeste fremd sind, denn wenn Kinder sich im Abstand von zwei Metern gegenüberstehen und winken, ist das kein Kinderfest ;-)) Es blieb bei der Verwarnung. Ich möchte der Polizei hier auch gar keinen Vorwurf machen. aber liebe Nachbarn? Wenn ihr beobachtet,  dass sich in der Nachbarschaft zehn Menschen in einer Garage versammeln, dann sei Kritik und Meldung angesagt. Da ihr eh in Rufdistanz lebt (Ich nehme an, ihr steht nicht mit dem Fernglas auf dem Balkon!?), vielleicht zuerst mal rufen und aufmerksam machen? Erst dann Exekutive? Wenn sich jedoch Nachbar 1 und Nachbar 2 am Zaun gegenüber stehen, mit nötigem Abstand, und sich zuprosten, dann ist das übelste Denunziation und erinnert an ganz schwierige Zeiten. Dann müsst ihr nicht jammern, dass ihr in einem bevormundenden Staat lebt. (Was momentan in sozialen Medien Hauptkritikpunkt ist, wir leben glücklicherweise nicht in Ungarn.) Jeder Diktator könnte ohne Spitzel nicht existieren! Ich bin sehr für gesunden Menschenverstand, halte die meisten der verordneten Dinge für sinnvoll, schneide meine Kids die Haare selbst, selber schau ich einfach nicht in den Spiegel, geh nur noch zum Einkaufen mit Mundschutz in den Supermarkt, die Stadt hat mich schon seit drei Wochen nicht mehr zu Gesicht bekommen, meinen Eltern habe ich strengste Enkelabstinenz verordnet, Geburtstage feiere ich über Apps. Vernünftige Menschen sollten sehr wohl noch als solche behandelt werden! Solange sich das Virus nicht frei in der Luft bewegt (Ohne begleitende Tröpfchen!) sollten wir unsere Hinrnwindungen benutzen und Mücken und Elefanten voneinander unterscheiden.

Das Coronavirus hat die Leute wieder sozial aufgeschlossener werden lassen, hilfsbereit. Soziale  Nähe wäre hier das falsche Wort, beschreibt es aber trotzdem ganz gut, wenn in großen Mietshäusern auf einmal Leute einander helfen, die sich vorher nur knapp gegrüßt haben. (Stichwort: Einkäufe erledigen, Kuchen vor die Tür stellen ...). Macht das jetzt mit unangemessenen ANONYM-Anrufen nicht kaputt. Denn wenn das Überhand nimmt, dann weicht diese soziale Wärme ganz schnell und wird zur Polaratmosphäre. Im Kühlschrank zu leben, ist wenig angenehm, auch in Zeiten des "Distanz-Haltens", aber erst recht in Zeiten danach.

 

So, weit genug aus dem Fenster gelehnt. Ich wünsche euch, liebe Schüler*innen, feine Ferien, wir sehen uns danach auf "Microsoft Teams"!  

 

 

 

 

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